Am Freitag, 06.11.2015, findet um 19.30 Uhr der nächste Gottesdienst in der Reihe »Laboratorium – gottesdienst anders« in der Dreifaltigkeitskirche in Altenoythe statt.
»Leben im Hamsterrad« ist ein geflügeltes Wort geworden. Das Laboratoriums-Team nimmt in diesem Gottesdienst Themen auf, die vielen Menschen in unserer Zeit nicht unbekannt sind: einen Auftrag bekommen, mit Leidenschaft für eine Sache unterwegs sein, engagiert eine Aufgabe angehen, Erfolg haben, an die Grenzen und über die Grenzen gehen, das Maß verlieren – Dauerbeschleunigung als Lebensstil. Manchmal führt dieser Weg über kleine und große Katastrophen in die Krise.
In der Bibel ist ein solcher Weg für den Propheten Elija beschrieben. »Der Prophet Elija könnte unser Zeitgenosse sein«, so Pfarrer Ulrich Bahlmann. »Elija gibt alles für seinen Auftrag – oder was er dafür hält. Alles scheint ihm zu gelingen, nichts scheint ihm verwehrt und dann ein jäher Absturz.« Doch Elija kommt wieder auf die Beine – aber nicht von allein. Zuwendung, Versorgung, Nähe, Unterstützung und vieles mehr ist notwendig ...
Der Gottesdienst lädt zur Auseinandersetzung ein – mit dem Weg des Elija, mit dem eigenen Weg und mit einem Gott, der sensibel einen Weg begleitet. »Wir versuchen, möglichst alle Sinne anzusprechen und die Dynamik der Geschichte erfahrbar zu machen« so Pastoralreferent Martin Kröger. Dazu tragen wesentlich Margarete und Arthur Mildner vom »Ensemble Klangkunst« bei, die mit ihren Geigen den Weg des Elija akustisch begleiten. Aber auch moderate Bewegung, eine kleine Stärkung und eine Zeit für eigene Gedanken stützen diesen Ansatz: »Wer Gott hören will, braucht auch die Stille« meint Gabi Tepe.
Das Laboratoriums-Team lädt besonders diejenigen ein, die sich mit den klassischen Formen schwer tun. Natürlich sind darüber hinaus alle Interessierten eingeladen, die Freude an den Laboratoriumsgottesdiensten haben oder diesen Gottesdienst einmal kennenlernen möchten – aber: es ist immer wieder anders.
Mehr Entschleunigung!
Die Absicht der Plakatwerbung des Laboratoriums war wieder einmal gelungen. Abgebildet waren ein Laufrad und ein Hamster, der daneben sitzt. Man konnte beobachteten, wie das Bild Stirnfalten und fragende Gesichter produzierte. Die provokante Symbolik bedurfte der Erklärung und die wurde im Gottesdienst in der Dreifaltigkeitskirche in Altenoythe überzeugend vermittelt.
Der Prophet Elija aus dem Alten Testament (1. Buch der Könige) und seine bewegte Lebensgeschichte gaben den Rahmen für diesen Gottesdienst. Die zahlreichen Kirchenbesucher sahen den Chorraum von blauen und grünen Lichtstreifen erhellt, Kerzen brannten, die Hl. Schrift lag bereit. Zu Füßen des großen Wandkreuzes warf ein Laufrad mit aufdringlichen, hektischen, nervigen Drehbewegungen seinen Schatten an die Steinwand. Treffend erklang das Lied Astronaut von Sido aus den Charts. Da heißt es: »Ich heb ab, nichts hält mich am Boden, … die Köpfe sind leer, ... Löcher im Herz, … Lächeln aus Stein«. Man plagt sich Tag für Tag, wird dennoch den Anforderungen nicht gerecht, beschleunigt sich, die Drehzahl steigt, bis man nicht mehr merkt, wie Mitmenschen und Gott aus dem Blick verschwinden. Zu gerne möchte man diesem Druck entfliehen, denn ohne Gott gehen unsere Wege übel aus.
Es folgte ein inniges Bittgebet um Gemeinschaft mit Gott, um Annahme der eigenen Unzulänglichkeit, um Hinwendung zum Anderen und um die notwendige Zeit dafür. Nach einer musikalischen Sequenz wurden die Anwesenden in vier Schritten auf den unbequemen Lebensweg des Propheten Elija mitgenommen. Dabei wechselten Schriftlesung, szenische Darstellung und die musikalische Interpretation des Schriftwortes einander ab. Diese Form der Auseinandersetzung mit einem Text der Bibel war bemerkenswert und ungewöhnlich.
Teil 1 · Die Schrift erzählt: König Ahab lässt nach der Heirat mit der phönizischen Königstochter Isebel den Götzenkult um Baal zu. Das Volk wird dem Gott Israels abtrünnig. Elija ist machtlos. Er sagt als Antwort Gottes eine landesweite Dürre voraus und geht an den Bach Kerit. Die Lesung bricht ab, die Szene wird fiktiv im Rollenspiel fortgesetzt. Elija beschreibt im Selbstgespräch seine Genugtuung über die Bestrafung des Königs Ahab durch Gott. Ihm wird eine Auszeit im Hause der Witwe von Sarepta verordnet, bevor Gott ihn erneut zu Ahab schickt. Auch dieser Auftrag bleibt erfolglos und Elija inszeniert eine Demonstration göttlicher Macht.
Teil 2 · Die Schrift erzählt: Das Volk versammelt sich. 400 Propheten des Baal und Elija als letzter Prophet Gottes treten gegeneinander an. Das Brandopfer eines Stieres wird vorbereitet. Der wahre Gott soll das Feuer entzünden, so lautet die Abmachung. So sehr ihn seine 400 Propheten auch um dieses Feuerzeichen bitten, Baal ist unfähig und beweist sich klar als Götze.
Teil 3 · Die Schrift erzählt weiter: Elija tritt in Aktion. Er bereitet Altar und Opfer vor, benetzt alles dreimal mit Wasser und betet zu Gott. Das Feuer lodert auf und Gott zeigt sich allen als der wahre Gott Israels. Elija lässt die Diener des Baal töten. Im Kirchenraum knistert die Spannung. Das musikalische Zwischenspiel der Instrumentalisten spiegelt die Dramatik der Geschichte. Wieder kommt Elija im Selbstgespräch zu Wort. Er hat alles gegeben, sich allein gegen alle gestellt und ein Todesurteil gesprochen. Umsonst. Ahab schwört Rache, will auf Anstiftung seiner Frau Isebel seinen Tod. Elija flieht. Er ist ausgebrannt, enttäuscht, einsam. Sein prophetischer Auftrag scheiterte. Volk und König widersetzen sich einer Bekehrung. Seine Stimme bricht ab. – Das Violinspiel der Instrumentalisten verläuft ebenso: es bricht mitten in der Melodie unerwartet ab. Stille ist im Kirchenraum. Das Laufrad steht still.
Teil 4 · Die Schrift erzählt: Elija geht in die Wüste und wünscht sich beim Ginsterbusch den Tod. Der Engel kommt und speist ihn. Körperlich gestärkt, seelisch gebrochen sucht er Gott am Berg Horeb. In die Ergriffenheit der Zuhörer hinein erfolgte die unerwartete Aufforderung: Steht auf und esst! Alle Anwesenden – manche zögernd, verwundert – aßen Laugenbrötchen und tranken einen Schluck Wasser oder Saft an den Stehtischen hinten in der Kirche. Eine besondere nachhaltige Atmosphäre beherrschte den Raum. Zu den Klängen meditativer Instrumentalmusik zeigte das Schattenbild jetzt einen Ginsterbusch. Die Geschichte aus der Bibel musste noch zu Ende geführt werden. Nichts war dazu besser geeignet als ein Bibliolog, der sich nun anschloss. Die Zuhörer wurden aktiv in den Fortgang einbezogen. Man konnte sich in die Person des Elija versetzen, ihm seine Stimme geben und seine Gedanken aussprechen.
Die Schrift erzählt: Elija verbirgt sich auf dem Horeb in einer Höhle. Gott fragt nach seinem Ansinnen. An die Zuhörer richtete sich die Frage: Elija, was fühlst du, als Gott dich anspricht? Elija listet seine Verdienste auf, beschreibt das Misslingen seines Auftrags. Seine Antwort ist vorwurfsvoll, weil er mit Gottes Macht kalkuliert hatte und dennoch scheiterte. Dafür mobilisierte er seine letzten Kräfte. Jetzt hat er keine Perspektive mehr. Gott fordert ihn auf, die Höhle zu verlassen. Doch Sturm, Feuer, Blitz und Donner erschrecken Elija. Erst beim leisen Säuseln stellt er sich vor Gott. Die Frage an die Bibliologteilnehmer lautete: Elija, warum verlässt du erst beim Säuseln die Höhle? Die Antworten zeigten: Elija braucht Stille um Gott zu hören. – Gott betraut Elija mit einer neuen Aufgabe. Elija, was denkst du bei diesem Auftrag? hieß es in der dritten Frage. Die Anwesenden erspürten die Antwort.
Nach innerem Kampf übernimmt der Prophet im Vertrauen auf den Herrn den neuen Auftrag. Ein letztes Mal äußert sich Elija im Selbstgespräch: Er hat den Bogen überspannt. Doch er fand wieder zu sich selbst. Er ist aus dem Laufrad gesprungen, das keinen Anfang und kein Ende, keine Veränderung und kein Ziel kennt. Er hört wieder die Stimme Gottes und ist nicht mehr berauscht vom Aktionismus. Er steht bereit für einen weiteren Dienst als Prophet seines Herrn.
Im letzten Teil des Gottesdienstes erfolgte die konkrete Umsetzung der Elija-Erfahrungen in den Alltag der Zuhörer. Nach kurzer Reflexion über die Fragen: Welches Wort richtet Gott an mich? Was will ich mit diesem Wort machen? bestand die Möglichkeit, seine Erkenntnisse schriftlich festzuhalten und in einem Brief an sich selbst zu versenden. Fürbitten schlossen sich an. Sie bündelten die Erkenntnisse und Denkanstöße des Gottesdienstes in hervorragenden Formulierungen. »Welcher seine Zuversicht auf Gott setzt, den verlässt er nicht.«
Elija zog als Gewinn aus der Stille die Erkenntnis: Gott sieht ihm sein Versagen bei Ahab nach. Er kennt das Potenzial seines Propheten und betraut ihn mit einem neuen Auftrag. Gott nimmt menschliche Begrenztheit an. Elijas Leben ist wieder zumutbar und gewinnt an Leichtigkeit wie das des Nichtsnutz Colombin aus der abschließenden Kurzgeschichte. Colombin, schwach, dumm, feige wollte in seinem Leben nichts anderes mehr werden, denn er war schon alles, nämlich Colombin. Und damit war er der Größte.
Im Schlussgebet hieß es: Sei mein Gott! Mit dir gehe ich meinen Weg! Leite mich. Danach beendete ein wunderbares Violinspiel von Margarete und Arthur Mildner vom »Ensemble Klangkunst« aus Cloppenburg diesen beeindruckenden Gottesdienst. Ihnen und allen Mitwirkenden gilt aufrichtiger Dank. Mehr Entschleunigung, das ist eine gute Zielsetzung.
Hildegard Hettwer