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Perspektive Lieblingsplatz

Plakat des Laboratoriumsgottesdienst am 18.08.2018

Am kommenden Freitag (18.08.) findet um 19.30 Uhr ein weiterer Gottesdienst in der Reihe „Laboratorium – gottesdienst anders“ in der Dreifaltigkeitskirche in Altenoythe statt. Unter dem Titel „Perspektive Lieblingsplatz“ riskiert der Gottesdienst einen Blick in die Zukunft. 

„Die meisten Menschen haben einen Lieblingsplatz, der ihnen in irgendeiner Weise wichtig ist und gut tut“, stellt Martin Kröger fest. „Da lag für uns die Frage nahe, was denn eine Kirche zu einem ‚Lieblingsplatz‘ macht oder dazu werden lässt?“ 

Das Laboratoriums-Team hat sich in den letzten Wochen Zeit genommen, eine passende Gestaltung für dieses Thema zu finden. Gabi Tepe und Pfr. Ulrich Bahlmann haben eine Videobefragung durchgeführt: „Wo wohnt Gott in Friesoythe?“ „Für viele eine überraschende Frage, auf die wir auch manche überraschende Antwort bekommen haben“, so Ulrich Bahlmann. „Eine andere Frage ist die, was Menschen erwarten, wenn sie eine Kirche betreten.“

„Es wird wieder ein ‚anderer‘ Gottesdienst – mit der Gelegenheit, sich auf verschiedene Weise anregen zu lassen, miteinander zu reden, zu beten und singen“, freut sich Gabi Tepe. „Wir laden dazu ein, angestammte Plätze zu verlassen, in Bewegung zu kommen, einen neuen Platz einzunehmen und vielleicht mit einem ‚anderen‘ Blick zurückzukommen.“ Wie in den vorherigen Gottesdiensten ist Beteiligung kein Muss, aber eine Möglichkeit. Der Gottesdienst endet vor der Kirche.

„Der Sommergottesdienst ist für uns Anlass, den Abend wohltuend ausklingen zu lassen.“ Sabine Orth freut sich auf gute Gespräche und gute Musik. „Im Gottesdienst haben wir mit Stefan Riedmann und Peter Havers zwei tolle Musiker gewinnen können. Auf dem Kirchenvorplatz versorgt uns die Band ‚H.A.S.C.H‘ aus Thüle mit guter Musik.“ Die Band ‚H.A.S.C.H‘ hat im vergangenen Jahr viel positives Feedback für die Begleitung des Gottesdienstes zum Thema ‚Sehnsucht‘ bekommen. Damit auch für das leibliche Wohl gesorgt ist, gibt es Bratwurst vom Grill. Mitglieder der Altenoyther Kolpingfamilie sorgen für den Getränkeausschank. „Die Planung für den Gottesdienst und einen schönen Abend steht“, fasst Annette Jahn zusammen. „Wir hoffen nun auf gute Resonanz und einen schönen Sommerabend.“

 

Gedanken zum Gottesdienst „Perspektive Lieblingsplatz“

Beim Blick auf das Werbeplakat des Laboratoriums konnte man denken: Ja, das fehlt mir gerade jetzt, ein Liegestuhl im Sonnenschein an meinem Lieblingsplatz, ohne Stress und Verpflichtung. Dort darf ich sein, wie ich bin. Ich kann auf Distanz gehen, Kraft schöpfen, reflektieren, vielleicht mit dem Fernglas neue Lieblingsplätze entdecken. Wer wünscht sich das nicht? 

Und so war die Kirche in Altenoythe zum Gottesdienst am Freitag von erwartungsvollen Teilnehmern gut besucht. Der Kirchenraum präsentierte sich verändert. Die vorderen Bankreihen waren durch Stühle ersetzt worden. Sie standen sich in zwei Blöcken gegenüber, so dass sich die Blicke der Benutzer trafen. Ein einfacher Tisch dazwischen gab Platz für Kerze, Milch und Schwarzbrot, deren Bedeutung sich im Verlauf des Gottesdienstes erschloss. In den Seitengängen waren auf Plakaten die Ergebnisse einer Frageinitiative zum Thema nachzulesen, Stehtische standen für Gespräche bereit. Blaue und rote Strahler rückten das große Wandkreuz ins Zentrum und setzten dezente Lichtpunkte im Raum. »Wo wohnt Gott in Friesoythe?« projizierte ein Beamer auf eine Leinwand. Für die musikalische Gestaltung stand das Duo Stephan Riedmann (Gitarre) & Peter Havers (Flöte) aus Vechta bereit. 

Jeder Teilnehmer wurde persönlich an der Kirchentür begrüßt und man erhielt zu seiner Verwunderung neben dem Liederzettel eine Scheibe Schwarzbrot. Nach der Eröffnung des Gottesdienstes mit Lied und Gebet ging man der Sache mit dem Schwarzbrot sogleich auf den Grund. Das Schwarzbrot sollte symbolisch helfen, die Intention des Gottesdienstes zu verdeutlichen. Schwarzbrot ist ein hartes Brot. Es muss vor dem Verzehr gründlich bearbeitet sprich: gekaut werden, es löst sich im Mund nicht von selbst auf. Danach kräftigt es ungemein. Der Glaube fordert von uns in der Frage nach Gott unermüdliche aktive Auseinandersetzung, Bekenntnis und die bewusste Entscheidung zur Nachfolge. 

Im 1. Korintherbrief (1 Kor 3,2/ vgl. auch Hebr 5) sagt Paulus: »Ihr wart unmündige Kinder in Christus. Milch gab ich euch zu trinken statt fester Speise, denn diese konntet ihr noch nicht vertragen.« Folglich ist Schwarzbrot, bildlich gesprochen, nur Kost für Erwachsene, die reflektieren und Gut und Böse unterscheiden können. Die Frage nach den Bedingungen einer gelungenen Gottesbegegnung setzt Mündigkeit und Entscheidungskraft voraus und erfordert für die Glaubenspraxis den richtigen Umgang mit Tradition und Zukunft. Schwarzbrotesser sind Menschen, die bewusst singen können: »Lobet den Herrn meine Seele« (G L807). 

Es folgte die Lesung aus dem Johannesevangelium (Joh 1,35-40). Die Jünger fragten Jesus: »Wo wohnst du? Er antwortete: Kommt und seht. Und sie gingen mit ihm und sahen, wo er wohnte.« Jesus präzisiert keinen festen Wohnsitz. Die Jünger erleben den Sohn Gottes in der Begegnung mit den Menschen, dort ist sein Platz. 

In Anlehnung an den Evangelientext versuchten Friesoyther Passanten die Frage zu beantworten: »Wo finden Sie in Friesoythe Gott?« Das dabei entstandene Video wurde abgespielt und präsentierte eine Fülle von Antworten, zum Beispiel: Gott ist überall, in der Kirche, der Familie, der Natur, in schönen Dingen, auf dem Friedhof, an vielen Orten der Stadt, bei mir, im Gebet, in jedem Menschen, wo man ihn einlässt. Auch die Gottesdienstteilnehmer erhielten Gelegenheit, sich dieser Frage zu stellen. An Stehtischen fand ein reger Austausch statt und zahlreiche »Wohnungen« Jesu wurden benannt. Nach der Gesprächspause wechselten viele Teilnehmer ihre Plätze und damit ihre Blickrichtung im Kirchenraum. Ein bewusster Perspektivwechsel? 

Das Lied »Von allen Seiten umgibst du mich« [Junges Gotteslob] und das innige Gebet von Martina Kreidler-Koos »Wo willst du wohnen, ich lade dich ein« bündelten die Gesprächsergebnisse hervorragend. 

Es folgte die zweite Lesung aus dem Markusevangelium (Mk 10, 46-52). Durch Fragen und fiktive Antworten näherte man sich der Problematik dieser Erzählung: In welcher Situation befand sich der blinde Bartimäus? Wie reagierte sein Umfeld auf sein Rufen? Was geschah bei der Begegnung mit Jesus? Bartimäus erkennt Gott. Er sieht endlich mit den Augen, aber auch mit dem Herzen und er begibt sich in die Nachfolge Jesu. Wie bei der ersten Lesung wurden die Gottesdienstteilnehmer in die Geschichte einbezogen. In kleinen Gesprächsgruppen überlegten und notierten sie Antworten auf die im Evangelium gestellte Frage des Herrn: Was soll ich dir tun? Um im Sinne Jesu sehend zu werden, bedarf es der Gnade des Glaubens und der Erkenntnis der Wahrheit. Es ist gut, darum zu bitten. Die Sequenz schloss ab mit dem gemeinsamen Lied: »Ich glaube an den Vater« (GL 826) und mit einem besonderen Gebet um das Licht des Glaubens. 

In einer dritten Lesung aus dem Evangelium nach Lukas (Lk 19,1-10) rückte der Zöllner Zachäus ins Blickfeld. Hier ergreift Jesus die Initiative. Jesus spricht Zachäus an und betritt sein Haus. Er beurteilt nicht sein Geschäftsgebaren und stört sich nicht an verbreiteten Vorurteilen. Zachäus erkennt, bereut und korrigiert sich. Er bleibt nicht untätig auf dem Baum sitzen, sondern rückt sein Leben in die rechte Bahn und begibt sich in die Nachfolge Jesu. Wieder beenden ein Lied und ein Gebet diesen Teil des Gottesdienstes. Der Liedtext »Da wohnt ein Sehnen tief in mir« (GL 823) entsprach den Emotionen vieler Teilnehmer.

Einer der Höhepunkte des Gottesdienstes waren die nachfolgenden Fürbitten. Schweigend trugen die betenden Teilnehmer ihre persönlichen Anliegen als Bitte, Dank und Lobpreis vor Gott. Kyrie eleison. Die Innigkeit und Intimität der gesungenen Bitte waren bewegend und lösten sich erst im gemeinsam gesprochenen Vater Unser. 

Ein abrupter Szenenwechsel war angesagt. Im provokanten Video-Clip »Herr im Haus« mit Wilfried Dziallas in der Hauptrolle als Priester ist diesem die Mitmenschlichkeit abhanden gekommen. Er verliert sich in völlig unwichtigen Dingen und treibt es soweit, dass Jesus schließlich vom Kreuz herabsteigt und der verschlossenen »Privatkirche« des Pfarrers entflieht. Diese Kirche kann selbst für Jesus kein Lieblingsplatz mehr sein. Er wohnt deshalb draußen bei denen, die ihn wirklich brauchen. 

»Perspektive Lieblingsplatz« hieß das Thema des Gottesdienstes. Am Ende war klar, dass der geliebte Verweilplatz vorübergehend wichtig und wohltuend ist. Er sollte wohl auch eine Prüfstelle sein, an der sich bei Bedarf der Blickwinkel verändern kann. Es gilt, sich aus dem Liegestuhl wieder zu erheben, sich seinen Aufgaben zu stellen, Potentiale zu entdecken, Fähigkeiten zu entwickeln, Veränderung zu bewirken. Das bedeutet oft, sich zu lösen von Gewohnheiten, Erwartungen und Bildern. Das bedeutet neu hinzuhören und lebendig zu bleiben in der Liebe zu Gott. 

Die ausgewählten Texte der Bibel zeigten Wege, die Gott kontaktieren. Damit Menschen dieser Zeit Gott finden können, müssen alte Konzepte gemeinsam überprüft, neue gefunden und diese von einer breiten Basis von Gläubigen getragen werden. Form, Qualität und Raum sind wichtig. Erfahrungen zeigen, dass Veränderung in vielen Bereichen notwendig ist. Anlässlich der anstehenden Renovierung der Dreifaltigkeitskirche stellt sich vor Ort die Frage: Wie müsste diese Kirche sein, damit sie mein Lieblingsplatz sein kann? 

Lebendige Gemeinde bezieht alle ein. Persönliche Vorstellungen zur möglichen räumlichen Umgestaltung sollten deshalb miteinander diskutiert und ernst genommen werden. Für schriftliche Mitteilungen an die Planungsgruppe im Pfarrhaus lagen Postkarten aus. 

Der anregende Gottesdienst endete mit dem Segensgebet und einem gemeinsamen Schlusslied. Mit ihrer Liedbegleitung, dem meditativen Zwischenspiel und der gelungenen Liedauswahl trugen die hervorragenden Instrumentalisten zum Gelingen wesentlich bei. Dem Duo, allen Helfern, Organisatoren und der gottesdienstlichen Gemeinde wurde für ihren besonderen Einsatz herzlich gedankt. 

Auf dem Kirchenvorplatz fand der Abend mit anregenden Gesprächen bei Grillwurst, Getränken und fetziger Musik der Band H.A.S.C.H. aus Thüle einen fröhlichen Ausklang. Vielen Dank.

Hildegard Hettwer